Erste Volksversammlung zur Schweizerischen Nationalbank

Am Samstag, 30. April, kamen engagierte Menschen quer aus der Gesellschaft auf dem Bürkliplatz in Zürich zusammen, um über das zu sprechen, was die Nationalbank ignoriert: Die Klimakrise.

Verschiedene Klimaorganisationen hatten gemeinsam zur Nationalbank-Volksversammlung aufgerufen, darunter die Klima-Allianz, Collectif BreakFree, der Klimastreik, fossil-free.ch und Campax. Gekommen sind rund 50 interessierte Menschen, die nicht wollen, dass Schweizer Geld die Zerstörung unseres Planeten finanziert. Gemeinsam wurde darüber diskutiert, warum die SNB eine grüne und gerechte Transformation sowie auch die internationale Solidarität in den Mittelpunkt ihrer Prioritäten stellen soll und wie die Bank künftig demokratischer agieren könnte.

Auftakt der Volksversammlung waren Inputs von Expert:innen. Unter anderen sprach Julia Steinberger, Mitautorin des IPCC-Berichts; Marc Chesney, Professor für Quantitative Finance an der Universität Zürich; Marie Belomo, Klimaaktivistin und Lehrerin aus Kamerun; Manuela Cattani, Co-Generalsekretärin der Gewerkschaft SIT und Guillermo Fernandez, #PapaOnHungerstrike.


In einem zweiten Teil erarbeiteten drei Arbeitsgruppen verschiedene Vorschläge für Veränderungen in Bezug auf die SNB. Je eine Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit einer grünen und gerechten Transformation; Internationale Solidarität; und Demokratisierung. Die Vorschläge beinhalteten zum Beispiel, die SNB durch einen Aktionärsantrag zu zwingen, alle ihre Investitionen aus fossilen Unternehmen abzuziehen; das Mandat der SNB gesetzlich zu ändern; Druck auf die SNB über die verschiedenen Kantonsregierungen auszuüben; die SNB wegen ihrer Untätigkeit im Klimabereich vor Gericht zu bringen; oder einen Bürger:innenrat zur SNB zu starten. Nach der Vorstellung der Vorschläge bestand die Möglichkeit, inhaltliche Fragen dazu zu stellen. Daraufhin wurde zu jedem Vorschlag ein Stimmungsbild gemacht. 

Wie motiviert sich viele Menschen an der Volksversammlung eingebracht haben, war sehr inspirierend und gibt Hoffnung, dass die Zivilgesellschaft die träge Nationalbank hin zu echtem klimagerechten Verhalten bewegen kann. Des Weiteren zeigte sich wie viele tolle Vorschläge in dieser kurzen Zeit von den Gruppen ausgearbeitet wurden. Dies bestätigte unsere Idee, dass wenn Menschen von verschieden Gesichtspunkten und Erfahrungswelten zusammenkommen und diskutieren, die vielseitigsten Lösungen ausgearbeitet werden können.

  • Die Moderation erklärt den Ablauf des Tages. ©Annika Lutzke

Weshalb wurde eine Volksversammlung durchgeführt?

Die SNB legt zusammen mit der Finanzmarktaufsichtsbehörde die Regeln für die Finanzinstitute fest. Weder die SNB noch die FINMA gestalten diese jedoch klima- und biodiversitätsfreundlich. Darüber hinaus ist die SNB mit einem Portfolio von über 1000 Milliarden CHF einer der grössten öffentlichen Investorinnen der Welt und investiert in viele der klimaschädlichsten Unternehmen (Shell, Exxon,…), welche direkt und indirekt gravierende Umweltschäden verursachen und Menschenrechte verletzen.1 Sie weigert sich zudem, obwohl sie es rechtlich tun müsste, ihre riesigen Gewinne auszuschütten, um die nötige grüne und gerechte Transformation zu unterstützen. Wird die SNB darauf angesprochen, weist sie immer noch ihre Verantwortung von sich, Massnahmen gegen die Klimaerhitzung und die Biodiversitätszerstörung zu ergreifen. Gleichzeitig schaut die Politik, allen voran der Bundesrat, bewusst weg und das Parlament akzeptiert das. Niemand übernimmt Verantwortung!

Nicht nur die Politik, auch die Aktionär:innen der SNB haben laut Artikel 36 des Nationalbankgesetzes Befugnisse über die SNB. Am 29.04.2022 fand die Aktionärsversammlung der SNB im Kursaal Bern statt. Rund die Hälfte des Aktienkapitals der Nationalbank befindet sich in den Händen der Kantone und der Kantonalbanken sowie anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften/Anstalten.2 Die übrigen Aktien befinden sich im Besitz von natürlichen und juristischen Personen aus der Schweiz und dem Ausland. An der Versammlung waren etwa 300 Aktionär:innen physisch präsent, wobei die Mehrheit der Anwesenden männlich und über 50 Jahre alt. Nebst dem, dass von Repräsentativität ganz zu schweigen ist, wurde an der Aktionärsversammlung die Rolle der SNB in der Klima- und Biodiversitäts Krise nicht traktandiert. Das Direktorium musste darauf lediglich aufgrund mehrerer Wortmeldungen von Kleinstaktionär:innen unter dem Agendapunkt “Allgemeine Aussprache” reagieren.3

Es ist an der Zeit, dass sich etwas ändert! Wir brauchen jetzt eine grüne und gerechte Transformation, welche Arbeitsplätze garantiert und unsere Zukunft schützt. Die Nationalbank sollte die notwendige Transformation mittragen, anstatt zu bremsen oder gar zu verhindern. Und jede:r Bürger:in sollte die Möglichkeit  haben, sich an den dafür wichtigen Entscheidungen bezüglich Wirtschaft und Gesellschaft besser einbringen zu können, als es zur Zeit der Fall ist. Angesichts der Inaktivität im gegebenen politischen System  und der Dringlichkeit der ökologischen Krise können wir nicht länger warten und hoffen, dass die gegenwärtigen Entscheidungsträger:nnen die Probleme lösen.

Was fordern wir?

Wir fordern deshalb mehr demokratische Mitsprache und eine Bürger:innenversammlung zur SNB.

Was ist eine Bürger:*innenversammlung? 

Bürger:innenversammlungen sind Teil der partizipativen Demokratie. Es handelt sich umist ein Prozess, bei dem Bürger:innen politische Entscheidungen zu Themen von öffentlichem Interesse treffen. Ihre Mitglieder, die in diesem temporären Entscheidungsgremium neben Parlament und Regierung sitzen, werden nach dem Zufallsprinzip nach Merkmalen wie Geschlecht, Alter, Herkunft usw. ausgewählt und bilden damit ein repräsentatives Gremium der Gesellschaft. Während der Mission informieren sich die Teilnehmer:innen tiefer zu behandelnden Themen und hören Experten:innen und verschiedene Interessenvertreter:innen an. Dann beraten sie sich kollektiv und geben Empfehlungen und (rechtsverbindliche) Entscheidungen ab, die von den Behörden umgesetzt werden.
Ab Mitte Juni startet übrigens der erste nationale Bürger:innenrat in der Schweiz zur Ernährungspolitik.4

Was ist der Unterschied zwischen einer Bürger:innenversammlung und einer Volksversammlung?

Bei einer Bürger:inneversammlung kommen Menschen für einige Monate zusammen, um ein bestimmtes Problem zu bearbeiten, für das sie von den bestehenden politischen Institutionen einen Auftrag erhalten haben. Diese Versammlung erhält damit einen ähnlichen Status wie das Parlament und die Regierung (auf kommunaler, kantonaler oder eidgenössischer Ebene). Deshalb sollen darauf ihre Empfehlungen und Entscheidungen von den politischen Behörden umgesetzt werden.

Die Volksversammlung ist eine Diskussionsform, um Ideen einzubringen, zu beraten und gemeinsam Entscheidungen zu treffen, die unser tägliches Leben betreffen und von den politischen Behörden nicht unbedingt berücksichtigt werden. Sie dauert kürzer. Sie führt häufig zur Einleitung einer Aktion, eines Projekts, einer Petition, eines Referendums, einer Initiative, eines partizipativen politischen Programms usw. 

Bürger:innenversammlungen und Volksversammlungen sind zwei Facetten der partizipativen Demokratie, zwei sich ergänzende Lösungen für die Probleme des politischen Karrierismus, die Trägheit von Volksinitiativen, die Überrepräsentation bestimmter sozialer Kategorien in den Machtorganen oder den Einfluss von Lobbys.

Für mehr Informationen zu Bürger*innenversammlungen: https://citizens-democracy.ch/de/was-sind-burgerinnenversammlungen/

Grundwissen über die SNB

Dieses Dokument vermittelt einerseits ein Grundwissen über die Rolle, das Mandat und die Verantwortlichkeiten der SNB und die Rolle von Zentralbanken bei der Bewältigung der globalen Klima- und Biodiversitätskrise. Andererseits legt es Erklärungen und Argumente Weiterlesen…

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